Ulrich Friedrich Opfermann

  • Mitgliedschaften
  • Im Bundesarchiv Berlin liegen die vom vormaligen Berlin Document Center (BDC) übernommenen Bestände der NSDAP-Zentralkartei (Bestand 3.100) und der Ortskartei (Bestand 3.200). Sie enthalten nur Parteimitgliedschaften seit der Neugründung der NSDAP 1925, nicht jedoch die Altmitgliedschaften der Jahre 1920-1923 (Parteiverbot von 1923 bis 1925). Zentralkartei und Ortskartei sind unvollständig. Wer dort nicht zu finden ist, muss deshalb kein Nichtmitglied gewesen sein.

    Die älteren NSDAP-Mitgliedsnummern wurden mit der Neuorganisation der Partei 1925 ungültig und neue Nummern vergeben. In späteren Jahren ergaben sich – auch für Siegerland/Wittgenstein dokumentierbar – mitunter parteiinterne Verfahren zur Rückgewinnung der niedrigen alten Nummern. Das „Ehrenzeichen ‚Alte Garde’/‚Korps der Alten Kämpfer’, sprich das „Goldene Parteiabzeichen“, wurde bei Mitgliedsnummern unter 100.000 (im Laufe des Jahres 1928 erreicht) und ausnahmsweise bei besonderen Verdiensten vergeben, der Ehrentitel „Alter Parteigenosse“ bei Eintritt in die NSDAP oder entsprechender Mitgliedschaft in Stahlhelm oder Deutscher Wehr vor dem 30.1.1933. Daneben gab es die nach 25, 15 und zehn Jahren verliehenen goldenen, silbernen und bronzenen Dienstauszeichnungen der NSDAP. Sie sind nicht in die Artikelangaben aufgenommen (wie auch militärische sogenannte Tapferkeitsauszeichnungen nicht).

    Zwischen Januar und April 1933 stieg die Zahl der NSDAP-Mitglieder von rund 850.000 auf über 2,5 Millionen. Daraufhin ordnete die Parteileitung mit Wirkung zum 1. Mai 1933 eine – nicht ganz undurchlässige – Aufnahmesperre an, die 1937 wieder aufgehoben wurde.

    Selbstaussagen zur Nichtmitgliedschaft bzw. zu den Details einer Mitgliedschaft in Entnazifizierungsakten oder auch an anderen Orten sind ihrer Natur nach oft trügerisch. So versuchten Parteimitglieder einen Nichteintritt vorzutäuschen, indem sie erklärten, sie hätten nie ein Parteibuch erhalten. Tatsächlich wurden in aller Regel gar keine Parteibücher ausgegeben, sondern Mitgliedskarten. Bücher gab es nach frühestens zwei Jahren und nur auf Antrag. Daten zu Rang oder Dienststellung enthielten beide nicht („Blockleiter sei ich gewesen? Davon steht in meinem Parteibuch nichts.“). Oder sie erklärten, individuell oder gemeinsam mit anderen in einer Gruppe zum Beitritt gezwungen worden zu sein. Es war aber striktes Prinzip, dass „ein Zwang oder Druck, der Partei beizutreten, unter keinen Umständen ausgeübt werden“ durfte. „Der Grundsatz der Freiwilligkeit als eines der wertvollsten und wesentlichsten Merkmale der Bewegung muss vielmehr voll aufrecht erhalten werden!“ Grundsätzlich konnte niemand ohne seine Mitwirkung in die NSDAP aufgenommen werden. Die Aufnahmeprozedur war sehr stark reglementiert. Sie funktionierte penibel. Gruppenbeitritte gab es nicht. Vor jedem Beitritt stand die persönliche Entscheidung dazu.

    Zum Mitgliedschaftswesen der NSDAP informiert umfassend das Bundesarchiv:
    „PG – Zum Mitgliedschaftswesen der NSDAP“ und „Informationen zum Verfahren der Aufnahme in die NSDAP“.

    Aufgenommen wurden in das nachfolgende Verzeichnis Mitglieder der NSDAP dann, wenn sie vor 1933 beitraten oder – unabhängig vom Beitrittszeitpunkt – wenn sie Parteiämter innehatten oder gesellschaftliche Einflussgrößen waren. Mitgliedschaften in den der NSDAP zugehörigen Gliederungen und in den angeschlossenen Verbänden werden dann erwähnt, wenn es sich um die in Nürnberg als „verbrecherisch“ („criminal“: SS, SA oder SD) oder als „verurteilt“ („condemned“: NSKK) kategorisierten Gliederungen bzw. Verbände handelte oder wenn Ämter vorlagen. Einfache Mitgliedschaften ohne Funktion in DAF, NSV oder RLB sind also nicht vermerkt. Mitgliedschaften in älteren nationalistischen, antidemokratischen, revisionistischen Organisationen wie dem VDA oder dem RKB, wie sie zum Teil auch nach 1933 aktiv bleiben konnten, sind mitaufgenommen.

  • Internierung
  • Schon früh waren die Alliierten sich einig, durch Internierung NS-Belasteter nicht nur eine öffentlich gut sichtbare Generalabrechnung praktizieren, sondern auch dafür Sorge tragen zu wollen, dass diese Personengruppe dauerhaft von jedem gesellschaftlichen und politischen Einfluss ausgeschlossen war. Bereits kurze Zeit nach Beendigung der Kampfhandlungen kam es zur flächendeckenden Festnahme mutmaßlich NS-Belasteter durch die Militär-Behörden nach dem US-amerikanischen Prinzip des „automatischen Arrests“, das die anderen Besatzungszonen übernahmen, und zur Internierung in speziell dazu eingerichteten Lagern.1 Die Haftdauer lag zwischen wenigen Monaten und drei Jahren. Viele der zahlreichen Internierten aus dem Siegerland und aus Wittgenstein verbrachten ihre Haft in den Lagern Eselsheide und Staumühle bei Bielefeld, im Lager Recklinghausen-Hillerheide und im Sennelager, einige auch im vormaligen Konzentrationslager Esterwegen. In Wittgenstein und im Siegerland waren die frühen Festnahmeaktionen noch Maßnahmen der US-amerikanischen Fronteinheiten gewesen.2 Allein zwischen dem 5. Juni und dem 18. September 1945 wurden hier 129 Personen von der Militärregierung festgenommen und interniert.3 Die Lager beherbergten in außerordentlicher Dichte vormals aktive Träger des NS-Regimes, die oft keineswegs ihre Überzeugungen aufgegeben hatten, sich als unschuldige Opfer einer „Sieger-Justiz“ und als unbeugsame Widerständler betrachteten. Eine ns-bestimmte untergründige Lagerstruktur mit den alten Subordinationsverhältnissen war Basis für späteres Netzwerken der Entlassenen zur Wiedergewinnung verlorengegangener Bedeutung im neuen Rahmen. „Was uns damals hochgehalten hat, war die Kameradschaft … Jeder wollte immer mehr als der andere gemacht haben, wollte aktiver für die NSDAP gearbeitet haben.“ Der hoch belastete Wittgensteiner Landrat Otto Marloh erklärte im Kreise der Kameraden: „Wir lassen uns nicht unterkriegen, was sie auch immer mit uns tun!“4

    Es handelte sich bei den Internierten nicht um „Kriegsgefangene“, wie mancher von ihnen – so der bekannte Heimataktivist Lothar Irle – später glauben zu machen versuchte, sondern um aus Gründen von Sühne und Abwehr vom gesellschaftlichen und politischen Leben fernzuhaltende stark diskreditierte Personen. Der Internierung konnten Strafverfahren vor britischen Gerichten mit deutschem Personal (Spruchgerichte) folgen, die Geld- und Haftstrafen verhängten. Beides wurde in aller Regel auf die vorausgegangenen Internierung angerechnet, so dass die Betroffenen davon verschont blieben. Ob Freispruch, Einstellung oder Verurteilung, in jedem Fall schloss sich eine vorläufige, nicht bindende Einstufung in eine der Belastungskategorien des Entnazifierungsverfahrens an.

  • Entnazifizierung
  • Anders als in den anderen Besatzungszonen war unter der britischen Militärregierung die Entnazifizierung ein von der Internierung getrennter Vorgang. Für die Massenverfahren, die über Fragebögen und Entnazifizierungsausschüsse mit deutschem Personal abgewickelt wurden, sind die Kategorien I, Hauptschuldige bzw. Verbrecher (Kriegsverbrecher) und II Belastete bzw. Übeltäter (Aktivisten, Militaristen, Nutznießer) ohne Bedeutung. In den Massenüberprüfungen ging es um die Kategorien III/politisch Untragbare bzw. weniger bedeutende Übeltäter (Minderbelastete), IV/Mitläufer bzw. Parteigänger, mit/ohne a) = politische Beschränkungen, b) = Bewegungs(= Reise-)beschränkungen, c) Vermögens- und Kontensperre (in den Artikeln: „VSp“), und schließlich V/Entlastete.5 Bis zum Abschluss der Entnazifizierung 1952 wurden die Revisionsmöglichkeiten und Einstufungskriterien mehrfach so verändert, dass in einem Fortgang des Verfahrens in aller Regel die Einstufung zugunsten des Belasteten verbessert werden konnte. Verschlechterungen waren Rarität. Der Historiker Lutz Niethammer hat dafür den zum geflügelten Wort gewordenen Begriff einer umfassend entlastenden „Mitläuferfabrik“ geprägt.
    Zu den bemerkenswerten Vorgängen der regionalen Entnazifizierung gehören mehrere Fälle der Dienstenthebung von Ausschussmitgliedern wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und mindestens zwei Dienstenthebungen wegen falscher Titelführung bzw. bekanntgewordener Mitgliedschaft in der NSDAP. Besondere Aufmerksamkeit („Siegener Köpenickiade“) löste 1947 die Festnahme des angeblichen „Prof. Dr. jur.“ Fritz Mann aus, eines österreichischen hochstapelnden Schneiders, der dem Hauptausschuss Siegen-Stadt vorsaß. Er war in gleich zwei Parteien eingetreten und hatte auch in seinem Entnazifizierungsbogen falsche Angaben gemacht.6

    Von den zwölf Millionen Einwohnern Nordrhein-Westfalens (1947) wurden etwa 2 1/2 Millionen überprüft, Beschäftigte der öffentlichen und halböffentlichen Dienste, der Großfirmen und der Industrie. Aufgrund unsachmäßer Lagerung bis in die Mitte der 1960er Jahre haben die Akten „sehr gelitten“, wurden zum Teil unleserlich, zerfielen inzwischen beim Umblättern usw. „Erstaunlich“ sei, so 1982 Wolfgang Krüger, Pionier der Arbeit mit diesen Beständen, gerade für den Regierungsbezirksausschuss Arnsberg, zu dem das Siegerland und Wittgenstein gehören, „der hohe Fehlbestand“.7 Für den heutigen Kreis Siegen-Wittgenstein sind im Landesarchiv Duisburg einschließlich der Revisionsebene etwa 15.000 Einzelakten überliefert, von denen mehr als zehn Prozent Berufungen darstellen. Einen Überblick gibt eine Seite des WDR zur Entnazifizierung.

    Mit dem am 11.5.1951 vom Bundestag einstimmig (bei zwei Enthaltungen) beschlossenen „Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen“ konnten alle Beamten, die 1945 wegen NS-Belastung ihre Stellung verloren hatten, wenn sie nur wollten, ungeachtet ihrer Kategorisierung wieder in den öffentlichen Dienst zurück. Alle Behörden wurden verpflichtet, mindestens 20 Prozent ihrer Stellen mit „Verdrängten“ zu besetzen. Hunderttausende bis dahin nicht Wiedereingestellte, darunter Zehntausende mit erheblicher Belastung, rückten wieder ein. In Entnazifizierungsverfahren für unwirksam erklärte NS-Beförderungen galten erneut.8

    Die etwa zeitgleich einsetzenden Diskussionen zwischen den Parteien, den Ländern und Ministerien um ein Bundesentschädigungsgesetz für NS-Verfolgte ( „Deutschlands Wiedergutmachungsgesetz“) dauerten bis 1953 an und führten zu einem Gesetz, „das … kaum als Visitenkarte eines demokratisch geläuterten Deutschlands taugte.“9 Es verschlechterte die rechtlichen Ansprüche der Verfolgten. Der Ausschluss zivilrechtlicher Ansprüche wurde „zementiert“, und es folgte ein behördlicher „Kleinkrieg gegen die Opfer“.10

    In den Artikeln sind die Ergebnisse der verschiedenen Stadien der Entnazifizierung zwar nur mit Jahreszahlen und nicht zusätzlich mit der Angabe des jeweiligen Monats versehen, aber immer streng chronologisch geordnet. Bei gleicher Jahreszahl – „IV (1947), V (1947)“ – folgt immer die nächstjüngere Kategorisierung der älteren.

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    1 Clemens Vollnhals, Entnazifizierung. Politische Säuberung unter alliierter Herrschaft, in: Hans-Erich Volkmann (Hrsg.), Ende des Dritten Reichs – Ende des Zweiten Weltkriegs, München 1995, S. 369-392, hier: S. 372, 375.
    2 Siehe z. B.: Heinz Strickhausen, Berleburg. Eine Kleinstadt in der Nachkriegszeit, Bad Berleburg 2002, S. 113ff.
    3 Private Sammlung Ulrich Opfermann, Festnahmeliste für Juni bis September 1945.
    4 Heinz Strickhausen, Berleburg. Eine Kleinstadt in der Nachkriegszeit, Bad Berleburg 2002, S. 113ff., Zitate: S. 119, 123.
    5 Siehe: Wolfgang Krüger, Entnazifiziert! Zur Praxis der politischen Säuberung in Nordrhein-Westfalen, Wuppertal 1982.
    6 „Vergangenheitsbewältigung“ im Siegerland. Zum öffentlichen Umgang mit dem regionalen Nationalsozialismus nach 1945, in: Siegener Beiträge. Jahrbuch für regionale Geschichte, 3 (1998), S. 143-176, hier: S. 165; weitere Fälle in: Freiheit, 24.6.1947; Freiheit, 2.9.1947; Amtliche Bekanntmachungen, 30.8.1947; Amtliche Bekanntmachungen, 27.12.1947; Freiheit, 16.8.1948.
    7 Wolfgang Krüger, Entnazifiziert! Zur Praxis der politischen Säuberung in Nordrhein-Westfalen, Wuppertal 1982, S. 17.
    8 Torben Fischer/Matthias N. Lorenz (Hrsg.), Lexikon der „Vergangenheitsbewältigung“ in Deutschland. Debatten- und Diskursgeschichte des Nationalsozialismus nach 1945, Bielefeld 2007, S. 94-96.
    9 Constantin Goschler, Wiedergutmachung. Westdeutschland und die Verfolgten des Nationalsozialismus 1945-1954, München/Wien 1992, S. 298f.
    10 Christian Pross, Wiedergutmachung. Der Kleinkrieg gegen die Opfer, Frankfurt a. M. 1988.
     

     

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